Corona Krise in Argentinien – Wir müssen den Van verlassen!
↠ Gastbeitrag von explorersouls.com ↞
Wie sieht die Corona Krise in Argentinien aus, in dem Land mit der offiziell längsten Ausgangssperre der Welt? Es herrscht strickte Ausgangssperre seit dem 20. März 2020, Flüge sind bis 1. September untersagt. Keiner weiss, wann die Menschen sich wieder frei bewegen dürfen oder wann die Grenzen wieder öffnen. Infizierte gibt es viel weniger, als in anderen Teilen der Welt. Denn Argentinien hat gut und schnell reagiert. Auch die endlosen Weiten und geringe Bevölkerungsdichte haben dabei mitgeholfen.
Ich, Patricia, und mein Freund Stefan, leben und reisen in Südamerika seit September 2019 in unserem Van Paco. Am 20. März 2020, dem Beginn der Ausgangssperre, sind wir schon seit einem Monat in Argentinien. In diesem Beitrag erzählen wir von dem Abenteuer, das wir seit dem Beginn der Corona Krise in Argentinien erlebt haben.
„Du musst gehen!“ Der Parkwächter scheint keine Witze zu machen. Jetzt wird mir auch klar, weshalb in der letzten Stunde alle Camper den Campingplatz verlassen haben. Jeder Van und jedes Wohnmobil ist verschwunden. Nur noch ich und Paco, unser Van, stehen dort.
„Ich kann nicht weggehen. Mein Freund hat gerade den Huemul Trek begonnen und ist erst in etwa fünf Tagen wieder zurück,“ antworte ich. Der Parkwächter macht ein verständnisvolles Gesicht und informiert mich, dass wir uns melden sollen, sobald Stefan wieder zurück ist. Er erzählt mir weiter: „Alle Touristen müssen den Ort verlassen.“ El Chaltèn, ein Dorf, das nur vom Tourismus lebt, wird verriegelt und niemand darf mehr rein. Seine Worte erzeugen in mir eine noch nie dagewesene Nervosität. Und ich weiss, dass ich mich beruhigen muss, denn ich werde mindestens fünf Tage alleine sein.
Es ist der 16. März 2020: Die Corona Krise in Argentinien hat eingeschlagen
Da es hier bis jetzt keine Infizierten gibt, wurden keine Maßnahmen ergriffen. Dafür geht es jetzt umso schneller. Alles wird geschlossen, die Grenzen dicht gemacht und alle Touristen nach Hause geschickt.
Wir sind aber keine Touristen im normalen Sinne. Wir leben und wohnen in unserem Van und haben in der Schweiz auch kein Zuhause oder Job mehr. Wie sieht das Ganze nun bei uns aus? Müssen wir zurück nach Europa und unseren Van, unser neues Zuhause, hier lassen?
Die Unsicherheit und die Fragen in meinem Kopf machen mich verrückt. Dazu kommt, dass hier außerhalb von El Chaltèn, mein Handy nur WhatsApp Nachrichten senden und empfangen kann. Sonst geht nichts. Das mobile Internet funktioniert nicht richtig, und ins Dorf, um Wifi zu suchen, darf ich nicht. Stefan kann ich auf seiner Wanderung nicht erreichen. Er hat keine Ahnung, was gerade vor sich geht und dass der Nationalpark Los Glaciares komplett geschlossen ist. Er ist der letzte Besucher, der noch im Park ist.
Endlich nach fünf Tagen kehrt Stefan von seiner Wanderung zurück
Erleichtert über seine Rückkehr, erzähle ich ihm ohne Atempause die Neuigkeiten. Er hingegen ist ein wenig sprachlos und weiss noch nicht wie er auf die Situation reagieren soll. Wie auch! Abgeschieden von der Welt, war diese für ihn vollkommen in Ordnung, bis jetzt.
Wir haben keine Zeit um lange zu reden, denn wir müssen uns auf den Weg machen. Wohin? Das wissen wir nicht.
Innerhalb von zwei Stunden Fahrt werden wir dreimal von der Polizei angehalten, und nach Kontrolle der Papiere, weggeschickt: „Ihr dürft euch hier nicht aufhalten, fahrt weiter!“
So entscheiden wir uns irgendwo in der Pampa stehenzubleiben, um dort die Zeit der Quarantäne zu verbringen. Wir haben keinen Kontakt zur Außenwelt, doch zum Glück haben wir genug Essen für zwei Wochen. Wasser zum trinken nehmen wir aus dem Fluss.
Nach zwei Wochen gehen uns langsam die Lebensmittel aus und wir fahren ins nächste Dorf. Am Ortseingang wird uns von der Polizei mitgeteilt, dass wir nicht einkaufen gehen dürfen. Wir dürfen nur tanken und zum nächsten Dorf fahren. „Nein, ihr dürft nichts einkaufen. Auch keine Nahrungsmittel.“ Die Worte des Beamten treffen mich tief. In meinem Hals bildet sich ein Knoten und ich muss die Tränen unterdrücken.
Ich habe keine Zeit, um mir Sorgen zu machen, denn wir werden gleich von einem Polizisten zur Tankstelle eskortiert und am Ende des Dorfes dürfen wir wieder alleine weiterfahren. Der nächste Ort ist 200 Kilometer entfernt.
Dort angekommen, finden wir tatsächlich einen kleinen Supermarkt, um unsere Vorräte aufzustocken. Und sogar ein wenig Wifi, um unseren Familien Bescheid zu geben und zu erfahren, dass die Quarantäne verlängert wurde. Während ich noch meiner Mutter eine Nachricht schreibe, kommt auch schon ein Polizist und schickt uns weg. Also fahren wir etwa 10 Kilometer aus dem Dorf raus und parkieren wieder irgendwo im nirgendwo.
Wie schlagen wir die Zeit tot?
Wir schreiben für unseren Blog, machen Videos für unseren YouTube Kanal , lesen, halten uns fit mit Yoga und Joggen und versuchen mit der ganzen Situation klarzukommen. Gerade jetzt wären wir gerne Zuhause in der Schweiz. Wir fühlen uns einsam und verlassen.
Ein Lichtblick ist die Nachricht von Freunden, welche auch auf der Panamericana unterwegs sind. Sie haben etwa 500 Kilometer weiter nördlich ein Bungalow gemietet im Dorf Lago Puelo und werden sehr nett von der Polizei und den Dorfbewohnern behandelt. Wir sollten auch dort hingehen, denn wir wissen nicht wie lange die Corona Krise in Argentinien noch andauert. Es wäre schön an einem Ort zu sein, wo wir Touristen akzeptiert sind und von welchem wir nicht weggeschickt werden.
Denn im Moment fühlen wir uns wie auf der Flucht. Die Polizei schickt uns immer wieder weg und wir bleiben dann irgendwo, wo uns niemand sehen kann.
Also fahren wir weiter, um unsere Freunde zu erreichen. Die Gegend hier in Chubut ist karg und es gibt weder eine richtige Vegetation, noch Menschen. Dafür viele Guanacos, Sträusse und zu unserem Glück sitzt sogar ein Puma auf der Strasse. Was für ein Anblick! Welch schönes Tier!
Nach 150 Kilometer werden wir angehalten von der Gendarmerie. Sie lassen uns nicht weiterfahren. Die Herren sind sehr nett und um unsere Sicherheit bemüht. Sie entscheiden, dass wir wieder zurückfahren müssen. Zurück in das Dorf, von welchem wir kurz zuvor von der Polizei weggeschickt wurden. Nach vielen Telefonaten und vier Stunden Wartezeit werden wir 150 Kilometer zurückeskortiert.
Als erstes geht es zum Gesundheitscheck ins Krankenhaus
Alles in Ordnung! Dieses Resultat war vorauszusehen, denn wir haben die letzten paar Wochen völlig alleine verbracht und in dieser Gegend in Argentinien gibt es sowieso keine infizierten Menschen.
Als nächstes werden wir in ein Hotel gebracht. Wir dürfen nicht in unserem Van bleiben! Dafür dürfen wir einen übertriebenen Preis für das kleine rustikale Hotelzimmer bezahlen. Wir müssen zwei Wochen bleiben, damit die Behörden sicher sein können, dass wir gesund sind. Danach dürfen wir nach Lago Puelo, dorthin wo unsere Freunde sind und wo ein Bungalow, mit Küche und Badezimmer, ein Viertel vom Preis kostet, welchen wir in diesem Hotel hier bezahlen.
Wir verstehen das Vorgehen der Behörden und machen das beste aus den zwei Wochen. Das heisst Schreiben, Filmen, Sport, und einmal die Woche in dem kleinen Dorfladen einkaufen. Es bleibt ein unangenehmes Gefühl, das wir nicht ganz loswerden. Es kommt davon, dass die Polizei uns mitgeteilt hat, dass wenn wir unseren Van bewegen würden, er uns weggenommen wird. Und wir vielleicht eingesperrt werden.
Am Morgen, als die zwei Wochen um sind, stehen wir früh und glücklich auf. Kurz danach kommt uns auch schon der Gendarmerie-Offizier abholen. Ich begrüsse ihn strahlend: „Wir sind gesund!“ Er freut sich mit uns und nachdem wir nochmals beim Krankenhaus waren, bekommen wir alle offiziellen Papiere ausgestellt. Wir dürfen nun nach Lago Puelo!
Es tut gut mit dem Van auf den fast leeren Strassen zu fahren
Aber nicht lange. Nach 200 Kilometer werden wir am Ortseingang eines Dorfes namens Gobernador Costa von der Gendarmerie angehalten. Sie sehen sich unsere Papiere an, nicken, und winken uns durch. Wir fahren durchs Dorf und am Ortsausgang steht eine Polizistin. Sie sieht sich dieselben Papiere an und schüttelt den Kopf. „Nein, ihr dürft nicht weiterfahren,“ die Worte fühlen sich an wie eine riesige Faust in meinem Gesicht. Die Polizei erkennt die Papiere der Gendarmerie nicht an. Nach vier Stunden warten und diskutieren mit der Dame fahren wir wieder zurück mit dem Ziel: das teure Hotel.
Doch als wir ein paar Minuten später wieder am Ortseingang von Gobernador Costa sind, hält uns die Gendarmerie ein zweites mal an und versteht nicht, weshalb wir nicht weiterfahren durften. Sie haben uns vor vier Stunden vorbeifahren lassen und nun sind wir wieder hier. Wir erzählen, dass die Polizistin uns nicht weiterfahren lässt.
Die Herren nehmen sich unseren Problemen an. Sie telefonieren, diskutieren, holen weitere Beamte und Polizisten hinzu, bringen uns argentinischen Maté Tee und bitten um Geduld. Nach fünf Stunden werden Fotos von uns und Paco, unserem Van, gemacht und schon bald darauf bekommen wir weitere Papiere, die uns erlauben weiterzufahren. Wow! Wir können unser Glück kaum fassen und die neun Stunden Wartezeit sind uns jetzt auch egal.
Ein Haken hat das Ganze aber: Wir müssen sofort losfahren. Nun ist aber schon Nacht und es ist stockdunkel. Wir fahren normalerweise nicht im Dunkeln. Die Polizisten teilen uns mit, dass wir sofort und ohne Pause bis zum Ziel durchfahren müssen. Was wir dann auch tun.
Da wir höchstens 80km/h fahren können und Regen, tausende Schlaglöcher und Wildtiere auf der Strasse die Fahrt erschweren, kommen wir erst nach fünf Stunden an. Es ist 2:30 morgens.
Wir haben es geschafft!
Unsere Freunde, welche uns mit Spannung seit Stunden erwarten, sind erleichtert und empfangen uns herzlich. Da es mitten in der Nacht ist, können wir unser Bungalow noch nicht beziehen. Deshalb schlafen wir erschöpft im Van vor dem Bungalow ein. Als wir wieder wach werden, sehen wir wo wir genau gelandet sind. Es ist das Paradies. Grüne Wiesen und Bäume, viel Platz und wunderschöne Bungalows. Eines davon beziehen wir schnell bevor wir zur Polizei fahren, um uns offiziell anzumelden.
Meine Hände zittern, als ich die Polizeistation betrete. Ich möchte nicht schon wieder weggeschickt werden. Ich möchte hier bleiben, solange diese ganze Corona Krise in Argentinien anhält.
Ein Polizist begrüsst mich und als ich ihm unsere Papiere geben möchte, sagt er lächelnd: „Wir haben euch schon erwartet!“ Mir fällt ein Stein vom Herzen und ich merke, dass wir wirklich willkommen sind.
Und das sind wir immer noch, fast zwei Monat später. Wir sind schon fast Einheimische und wir bleiben hier, solange es nötig ist. Und noch ein bisschen länger.
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